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  Burg Falkenstein
 

Burg Falkenstein im Harz

 

Ein beliebtes Ausflugsziel
Im nordöstlichen Unterharz nahe Meisdorf befindet sich eine der schönsten Burgen Deutschlands. Eingebettet in dichten Wald thront die Burg hoch über dem Flüsschen Selke und lockt Jahr für Jahr viele Besucher, die den Weg dorthin auf sich nehmen. Denn egal, ob man über Pansfelde oder durch das Selketal die Burg erreichen möchte, ein langer Fußweg ist einem gewiss. Die reizvolle Landschaft macht aber schon den Weg zur Burg zu einem Erlebnis für sich. Die Burg hat dann aber noch einiges mehr zu bieten. Sie beherbergt ein Museum, durch welches Führungen angeboten werden. Im Museumsladen kann man kleine Andenken aber auch wissenswerte Lektüre über die Burg und die umliegende Gegend erwerben. Wen die Anreise und der Museumsbesuch hungrig gemacht hat, der kann sich in einem gepflegten Restaurant stärken, um dann einer Vorführung der Falknerei beizuwohnen. Auch, oder besonders für Kinder lohnt sich ein Besuch auf der Burg Falkenstein allemal. „Mancherley Essen“, „Das Leben lernen“ oder „Der Ritterschlag“ sind Projekte, in denen Kindern das Leben im Mittelalter nahe gebracht werden. Und für ganze Kindergartengruppen wird nach Anmeldung sogar eine Schatzsuche veranstaltet. Die Burg bietet heute eine romantische Kulisse für Eheschließungen. Im Neugotischen Königszimmer oder in der Kapelle kann man sich trauen lassen. Des weiteren finden jedes Jahr Veranstaltungen wie z.B. ein Walpurgisabend, ein Minnesangturnier oder das mittelalterliche Burgfest statt. Der Burghof bietet Platz für Freilichtkonzerte oder Märkte, das Königszimmer mit max. 70 Plätzen eignet sich ideal für Konzerte oder Vorträge und wer sich in mittelalterlicher Umgebung weiterbilden möchte, dem stehen sogar Seminarräume zur Verfügung. Burg Falkenstein diente der DEFA oft als Kulisse für Verfilmungen. So wurden hier unter anderem „Spuk unterm Riesenrad“ oder „Schneeweißchen und Rosenrot“ gedreht. Heute ist die Burg ein beliebtes Ausflugsziel, doch wie war das früher?

Die Geschichte der Burg Falkenstein
Die Burg Falkenstein ist bereits die zweite Burganlage mit diesem Namen. Der Alte Falkenstein, dessen Mauerreste in unmittelbarer Nähe der heutigen Burg noch zu sehen sind, wurde wahrscheinlich nach der Schlacht von Welfesholz von den Sachsen zerstört. Der auf ihr lebende Graf von Winzenburg, einer der Hauptleute des kaiserlichen Heeres, war den siegreichen Sachsen wohl ein Dorn im Auge. Wenige Jahre nach der Zerstörung begannen die Edelherren von Konradsburg mit dem Bau der neuen Burg. Im Jahre 1120 wurde Burchard II. von Falkenstein bzw. von Konradsburg der erste Herr auf dem neu errichteten Falkenstein. Bis zur Fertigstellung der Burg im Jahr 1142 wurden noch beide Namen verwendet, danach nur noch von Falkenstein. Der Grund für den Neubau der Burg und damit der Verlegung des Wohnsitzes war für die Konradsburger sicher die günstige Lage im dichten Wald auf dem Bergsporn, die eine Verteidigung der Burg begünstigte. Die Konradsburg lag deutlich offener. Nach der Fertigstellung des Falkenstein stifteten die Konradsburger das Kloster Konradsburg. Man vermutet, dass sie es aus reiner Frömmigkeit taten, was zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches war. Wirtschaftliche Gründe lagen wahrscheinlich nicht vor, da ihre Herrschaft Allodialbesitz war, echtes und vererbbares Eigentum der Familie. Ab 1155 wurde erstmals im Zusammenhang mit Burchard III., ein Sohn Burchard II., der Titel Graf von Falkenstein erwähnt. Über die Verleihung des Titels ist nichts überliefert. Aber die Grafschaft dehnte sich schon bald beträchtlich aus. Hoyer von Falkenstein teilte die Grafschaft zwischen 1211 und 1250. Dieser Graf sorgte dafür, dass Eike von Repgow, der in askanischen Diensten stand, auf Burg Falkenstein den Sachsenspiegel niederschrieb. Man geht heute davon aus, dass er ihn auch zu dieser Zeit dort verfasste. In der Folgezeit drohte das Geschlecht der Falkensteiner immer wieder auszusterben. Otto IV. heiratete Luitgart von Arnstein, was die Herrschaft und die Burg Arnstein in den Besitz des Grafen von Falkenstein brachte. Ihr erster Sohn Friedrich starb jedoch 1310 kinderlos. Der zweite Sohn Burchard IV. war zu diesem Zeitpunkt schon Domherr zu Halberstadt, doch unter diesen Umständen durfte er sein geistliches Amt aufgeben und heiraten. Doch auch diese Ehe blieb kinderlos, denn kurz nach der Hochzeit verstarb seine Frau Hedwig. Daraufhin schenkte Burchard IV. den gesamten Allodialbesitz dem Halberstädter Hochstift. 

Graf Albert von Regenstein, verheiratet mit Oda von Falkenstein, erhob nach dem Tod Burchard IV. im Jahr 1334 Anspruch auf die Grafschaft Falkenstein. Er eroberte die Burg gewaltsam, konnte sie aber nicht halten. Daraufhin besetzte der Bischof von Halberstadt die Burg mit seinen Leuten. Zwischen 1425 und 1437 überließ man die Burg pfandweise dem Grafen von Mansfeld. 1437 verkaufte das Halberstädter Stift die Burg an die Familie von Asseburg. Die Herren von Asseburg gaben der Burg ihre heutige Form und erweiterten die Burganlage und bauten diese aus.

Im Dreißigjährigen Krieg, 1625, wurde die Burg von Wallensteins Truppen besetzt. Bis 1643 lagerten immer wieder wechselnde Besatzungstruppen auf der Burg. Dass es dabei zu keinen nennenswerten Zerstörungen kam, grenzt fast an ein Wunder.

Im 18. Jahrhundert gaben die Asseburger die Burg Falkenstein als Wohnsitz auf und zogen sich in ihr nahegelegenes Schloss in Meisdorf zurück. Für den baulichen Erhalt der Burg Falkenstein wurden kaum noch Mittel ausgegeben. Erst 1826, im Zeitalter der Romantik, begannen am Falkenstein die nötigen Ausbesserungsarbeiten und die Burg wurde zum Jagdschloss.

Im 2. Weltkrieg wurde die Burg von Tieffliegern beschossen und anschließend am 17. April 1945 von amerikanischen Truppen besetzt. Wie schon im Dreißigjährigen Krieg nahm die Burg dadurch kaum Schaden. Während der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone wurde die Familie von der Asseburg enteignet. Seit 1946 kann man das Museum der Burg Falkenstein besichtigen. Mit der Gründung der Stiftung Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen-Anhalts im Jahr 1996 wurde die Burg ein Teil der Stiftung. Im Jahr 1997 eröffnete die Sachsenspiegelausstellung.


Bilder vom Burg Falkenstein




 









Sagen um Burg Falkenstein

Die Tidianshöle bei Schloß Falkenstein am Harz.
Ihr Eingang, der sehr niedrig und beschwerlich ist, befindet sich am Fuße eines der Seltenberge, und die Entstehung ihres Namens, Tidian, verliert sich im grauen Alterthume.

Eine unter dem gemeinen Manne sehr verbreitete Sage macht diese weitläuftige unterirdische Höle zu einer Goldgrube, in der mancher Schatzgräber, die sogar aus Venedig hierher gewandert sein sollen, große Schätze gefunden hat. Wenigstens sprechen die Spuren vom Durchwühlen und Umgraben der Erde, die man hier herum findet, für die Wahrheit der Sage in Rücksicht des Suchens wenn man auch an dem Finden zweifeln muß. Man erzählt von einer großen Statüe von gediegenem Golde, die mehrere Personen in einem Gange der Höle gesehen, und auch davon große Klumpen Gold abgeschlagen haben sollen. Bei näherer Untersuchung habe man gefunden, daß dieses Gold an Feinheit und Reinheit alles andere übertreffe; die wiederholten Versuche dieser glücklichen Schatzgräber wären aber nicht mit eben dem Erfolge belohnt worden, denn alles Suchens ungeachtet hätten sie den Eingang zur Höle des goldenen Mannes nicht wieder finden können.

Unter allen diesen fabelhaften Sagen von der goldreichen Höle des Tidians ist folgende am meisten in der Gegend verbreitet, und trägt am unverkennbarsten den romantischen Charakter der grauen Vorzeit, in welchem wir fast immer die rächende Nemesis, dem Verbrechen auf dem Fuße folgend, erblicken.

Vor mehrern Jahrhunderten lebte auf der alten Burg im Dienste eines Grafen von Falkenstein ein frommer gottesfürchtiger Schäfer. Eines Tages, es war der St. Johannistag, als er ruhig seine Heerde am Fuße der Berge weidete, erblickte er in der Mittagsstunde im Thalgrunde eine wunderschöne Blume, die sogleich seine ganze Aufmerksamkeit fesselte. Voll Verwunderung über den seltenen Schimmer ihrer herrlichen glänzenden Farben eilte er auf dieselbe zu, pflückte sie, und befestigte sie, nicht wissend, welches köstliche Kleinod er besitze, auf seinem Hute. Kaum hatte er sich wieder ruhig neben seiner Heerde im Schatten einer Eiche gelagert, als er nicht fern von sich den Eingang einer Höle erblickte, die er bis zu dieser Stunde, so oft er auch schon in dieser Gegend seine Schafe gehütet, nie wahrgenommen hatte. Voll Verwunderung über diesen neuen Anblick und voll Neugierde, das Innere dieser Höle näher zu untersuchen, betrat er dieselbe, und fand sie mit einem glänzenden Sande angefüllt. Außer sich vor Freude über den glänzenden Fund, und ahnend, daß dieser Sand mehr als gewöhnlicher Sand sei, füllte er seine Taschen mit dem schimmernden Funde, und trug denselben ohne Jemanden ein Wort von seinem Abentheuer zu erzählen, nach Magdeburg zu einem Goldschmidt. Dieser, dem beim ersten Anblicke sogleich der Schimmer des edelsten Metalls entgegenstrahlte, und der bei näherer Untersuchung die vorzügliche Reinheit und Güte desselben entdeckte, bezahlte den Schäfer ansehnlich, und bat ihn, in der Hoffnung eines künftigen größern Gewinns, ja recht bald und oft mit gefüllten Taschen zu ihm zurück zu kehren. Glücklich und überglücklich über seinen Fund, kehrte der ehrliche Schäfer zu seiner Heerde, und sein Glück nicht mißbrauchend, nur dann erst zu seiner Goldgrube zurück, als das für seine erste Ladung gelöste Geld aufgezehrt war.

So setzte er geraume Zeit, seine Entdeckung in den sichernden Schleier des Geheimnisses gehüllt, seine Gänge zur Höle des Ueberflusses und von da zu dem Goldschmidt nach Magdeburg fort.

Nun begab es sich, daß sein Herr, der Graf von Falkenstein, zu seiner bevorstehenden Vermählung mit seiner schönen Braut bei demselben Goldschmidt, den sein Schäfer so reichlich mit Golde versorgte, Ringe und anderes kostbares Geschmeide bestellte. Er erstaunte, als ihn der Goldschmidt fragte, ob er gewöhnliches oder Tidianisches Gold haben wollte, denn ihm war wohl bekannt, daß in seinen Waldungen ein ganzer Distrikt seit langer Zeit den Namen des Tidian führe. Auf seine Frage, was das für Gold sei und woher er es erhielte, belehrte ihn der Goldschmidt, daß das Tidianische Gold das schönste und reinste sei, was man bis jetzt kenne, und daß ein alter Schäfer ihm von Zeit zu Zeit davon bringe. Der Graf von Falkenstein, nur noch neugieriger durch diese Antwort gemacht, bat den Goldschmidt, ihn rufen zu lassen, sobald sein Goldlieferant zu ihm käme. Nicht lange, so erhielt der Graf die Nachricht, daß der Schäfer da sei, und er säumte nicht, sich sogleich zu dem Goldschmidt zu begeben. Hier fand er nun, zu seinem großen Erstaunen, in der Person des Goldmännchens seinen alten, wohlbekannten Schäfer, der eben so sehr erstaunte, hier mit seinem Herrn zusammenzutreffen, und sein so lange bewahrtes Geheimniß entdeckt zu sehen.

Arglos erzählte er auf das Geheiß seines Herrn diesem sein glückliches Abentheuer, und erbot sich, ihn zu der wunderbaren Höle des Tidian zu geleiten. Kaum war der Graf von Falkenstein auf seiner Burg angelangt, als er in Begleitung seines Schäfers den Weg zur Höle antrat, und die magische Kraft der Wunderblume, die der Schäfer noch immer, jedoch unbewußt, welche geheime Kraft dieselbe besitze, auf seinem Hute trug, zeigte auch beiden den Eingang zu den unterirdischen Schätzen, von denen sie, so viel sie fortbringen konnten, mit sich nahmen.

Der Graf entzückt über den glücklichen Ausgang seiner ersten Wanderung, erdrückte fast mit Liebkosungen den ehrlichen Schäfer, den er als den Urheber seines künftigen unermeßlichen Reichthums pries, und wiederholte bald in seiner Begleitung die Wallfahrt zur Höle des Tidian mit eben so glücklichem Erfolge. Doch seine mit dem zunehmenden Reichthum wachsende Habsucht, seine unersättliche Goldgier peinigte ihn Tag und Nacht mit dem Gedanken, seine Schätze mit Jemanden theilen zu müssen, und der quälende Argwohn, daß sein Schäfer das Geheimniß der Höle weiter verbreiten und ihn so um den größten Theil seiner von der Zukunft gehofften unermeßlichen Schätze bringen könne, verdrägte bald jedes menschliche Gefühl aus seiner Brust, und verleitete ihn zu der fürchterlichen Grausamkeit, seinem Wohlthäter die Augen ausstechen zu lassen. Da that der arme geblendete Mann, seinen Peiniger verfluchend, den Wunsch, daß die Höle sich augenblicklich schließen, und so lange verschlossen bleiben möchte, bis drei gebrechliche regierende Herren, als ein Lahmer, ein Stummer und ein Blinder, auf dem Falkenstein residirt haben würden.

Sein Wunsch ward erhört, denn obgleich der Eingang zu der Höle des Tidians noch heut zu Tage existirt, so findet man doch nirgends mehr die Oeffnung zu der goldreichen Grotte, und obgleich bereits ein lahmer und ein stummer Herr von der Asseburg (von welchem Letztern sich das Bildniß noch in dem Rittersaale befindet) auf dem Falkenstein residirt haben sollen, so möchte doch wohl der dritte und letzte, der zur Oeffnung der Höle erfordert wird, umsonst erwartet werden, da nun schon seit 50 Jahren die alte Burg unbewohnt steht.

 

Die drei Becher von Falkenstein

Nicht fern von dem Ausflusse der Selke aus dem schönen romantischen Thale, das sie vom bernburgischen Städchen Güntersberge bis zum preußischen, der Asseburg'schen Familie gehörenden Dorfe Meisdorf in tausend kleinen Krümmungen durchfließt, erhebt sich auf einem ihrer letzten und höchsten Berge bald am Ausgange des Thales das alte Schloß Falkenstein. Seine Erbauung geht bis auf die Mitte des eilften Jahrhunderts zurück, seine Besitzer waren früher die Grafen von Falkenstein, von denen Graf Hoyer, der zu Anfange des 13. Jahrhunderts lebte, großen Antheil an dem von Eicke von Repko verfaßten Sachsenspiegel hatte. Im Jahre 1332 kam das Schloß durch Erbschaft an das Domstift Halberstadt, allein im Jahre 1386 erkauften die Brüder Bernhard und Busso von der Asseburg es von demselben und wurden im Jahre 1449 förmlich mit demselben beliehen, worauf es denn bis heute in dem Besitze dieser Familie geblieben ist. Am Schlusse des 15. Jahrhunderts lebte nun hier auf diesem Schlosse ein gewisser Asche von der Asseburg mit seiner Hausfrau Anna aus dem alten längst erloschenen Geschlechte derer von Arnstein. Dieselben hatten acht Söhne und zwei Töchter mit einander gezeugt, die sie ganz gegen die Sitte der damaligen Zeit selbst erzogen und unterrichteten. Abends saßen sie im Kreise ihrer Kinder und verbrachten die lange Winterzeit mit Erzählung von Märchen und Sagen aus ihrer Familie und ihrem Vaterlande. So erzählte denn eines schönen Tages der Burgherr auch, es seien einst, als noch die Grafen von Falkenstein Besitzer der Burg gewesen, kleine Männchen und Frauen vor das Bett der in Kindesnöthen liegenden Burgherrin getreten und hätten selbiger ihre Hilfe in ihren Schmerzen angeboten, die letztere hätte jedoch solche abgelehnt, und er dafür die kleinen Leute mit schimmernden Steinchen beschenkt und selbige gebeten, in den Tiefen des Felsens, auf welchem das Schloß erbaut war, ihren Wohnsitz zu behalten.

Der Burgherr hing mit unerschütterlichem Glauben an der Wahrheit dieser Sage, seine Gemahlin aber spöttelte stets darüber, so oft derselbe auf sie zurückkam, und erklärte, sie werde nur dann dieselbe glauben, wenn ihr selbst ein solches kleines Wesen zu Gesichte gekommen sein würde. Dieser Wunsch sollte jedoch bald in Erfüllung gehen.

Einst lag sie schlaflos an der Seite ihres in festen Schlummer versunkenen Gemahls in ihrem hohen Schlafzimmer, da hörte sie auf einmal aus der Ecke des Zimmers wie unter den Dielen desselben ein sonderbares Geräusch, sie ward natürlich darüber aufmerksam, richtete sich im Bette auf, um zu sehen, was wohl daraus werden würde und war eben im Begriff ihren Gemahl zu wecken, der, trotzdem daß ein grimmiges Unwetter in den Lüften herrschte und der Sturm durch die Schornsteine brauste und der prasselnde Regen an die Fenster schlug, fest schlief, als sie an der gedachten Stelle plötzlich auch den Boden hell werden sah; dieser Lichtglanz nahm immer mehr zu und auf einmal sah sie überhaupt keinen Boden mehr, sondern nichts als ein blendendes Lichtmeer, aus dem erst ein ohngefähr einen Fuß hohes kleines Männchen, dann noch eins, hierauf ein drittes, viertes und so fort, bis es zwanzig waren, traten und dann mit einander dreimal im Kreise um die vier Wände des Zimmers zogen. Endlich trat der zuerst Eingetretene vor das Bett der in stummes Erstaunen versunkenen Rittersfrau und sprach also zu ihr: »Anna, komm, hilf meinem kreisenden Weibe, sonst stirbt es!« und alle Uebrigen riefen: »Hilf, hilf!« Der Burgherrin klopfte das Herz vor Angst und sie vermochte keinen Laut hervorzubringen. Da fragte das Männchen nochmals ängstlich flehend und die Hände ringend: »Anna, willst Du kommen?« Und Anna antwortete zitternd: »Ja, ich komme!« Da drehte sich der ganze Kreis der Männlein, die kleinen Hüte schwenkend, fröhlich herum und schlüpfte zur Oeffnung, wo sie hergekommen, wieder hinein, nur das erste derselben blieb zurück und sprach: »So folge mir, Anna!« Anna erhob sich, warf, ohne ihren Gemahl aufgeweckt zu haben, einen Mantel über und folgte dem Männchen durch die helle Oeffnung, welche sich im Augenblick so erweiterte, daß sie hindurch konnte. Durch einen langen, gerade laufenden, zuweilen durch Stufen unterbrochenen, immer tiefer führenden Gang, der jedoch hell erleuchtet war, geleitete sie ihr Führer. Da kamen sie in ein großes Zimmer, wo ringsum die andern Männchen standen und sich tief bückten, als die Rittersfrau hindurchging, von da aber in ein zweites gleich großes Zimmer, wo eben so viele kleine Weiblein, alle weiß gekleidet, in einem Kreise standen und sich ebenfalls vor ihr verneigten. Nun gingen sie in ein drittes Zimmer, worin die Kreisende selbst lag, von klagenden Weibleins umgeben, die alle vor der Rittersfrau niederfielen und ihre Händchen flehend nach ihr emporhoben. Die kluge, erfahrene Anna trat nun zu der Kreisenden, half ihr so gut sie es vermochte, und noch war keine halbe Stunde verflossen, so hielt sie ein kleines feingebildetes Knäbchen, einem Wachsbilde gleich, der glücklichen Mutter hin. Da tanzten alle Weibchen vor Freude, man hörte eine leise liebliche Musik, die Männchen kamen tanzend und springend mit den kleinen Frauen und wirbelten sich einige Male schnell im Kreise herum. Ganz allein aber blieb jetzt die Rittersfrau bei der Wöchnerin zurück und jene sprach zu ihr: »Anna, Du hast mir geholfen und das Leben gerettet, dafür sei bedankt; zum Andenken an mich, die Du nie wiedersiehst, reiche ich Dir hier drei Becher bewahre sie sorgfältig, denn wisse, von ihrer Dauer hängt die Dauer des Stammes der Asseburger ab, zerbrechen sie, so bricht auch er und verdorrt, darum hüte sie wie Deinen Augapfel. Lebe wohl!«

Mit diesen Worten reichte sie ihr zum Abschied die Hand und Anna ging, von Niemandem geleitet, mit ihren drei Bechern durch jene hell erleuchteten Zimmer und den langen Gang nach ihrem Schlafgemach zurück. Kaum hatte sie die Oeffnung in den Dielen passirt, so schloß sich der Fußboden wieder und nichts war mehr von dem Eingang in die Unterwelt zu sehen. Sie weckte hierauf ihren Gatten und theilte ihm das Geschehene mit, zeigte ihm auch die drei Becher, allein wenig erfreut waren Beide über das erhaltene Andenken, an dessen Dasein die Erhaltung und das Gedeihen ihres Stammes geknüpft war und womit ihnen eine Verpflichtung aufgebürdet war, die mit steter Angst und Verantwortung verknüpft war. Für den Unglauben an die Wahrheit der alten Sage fühlte sich die Burgherrin durch die auferlegte Bürde bestraft und die Sorge nagte an ihr, ihre Nachkommen möchten ihr dereinst Schuld geben, daß sie durch ihr frevelhaftes Zweifeln und die leichtsinnige Herausforderung der Zwerge über sie jene Gefahren heraufbeschworen habe, die eben nur durch die sorgsamste Aufbewahrung jener zerbrechlichen Gefäße verhütet werden könnten. So sehr nun auch der bekümmerte Gatte sie aufzurichten und ihr diese Sorge auszureden suchte, umsonst, der Gram verzehrte sie und nach Jahresfrist bettete man sie in die Gruft der Ahnen der Asseburger und Falkensteine.

Die drei Becher wurden sorgfältig bewahrt, sie erbten sich fort und fort im Geschlechte der Asseburger durch zwei Jahrhunderte hindurch, denn fest hielt man den Glauben an ihre hohe Wichtigkeit und wachte mit ängstlicher Sorgfalt über ihre Erhaltung. Dennoch zertrümmerte einer davon. Es lebte nämlich in Wallhausen in Thüringen's goldner Aue eine Wittwe Asseburg, bei welcher die Becher eben verwahrt wurden. Da traf es sich, daß zwei ihrer Söhne sie besuchten. Es waren junge Burschen und Freunde lustiger Zechgelage und so geschah es, daß der ruhige Wittwensitz bald von lustigem Becherklang ertönte. Einst hatten die Brüder auch eine zahlreiche Gesellschaft von adligen Junkern aus der Nachbarschaft geladen und beim fröhlichen Mahle kam das Gespräch auch auf die drei Becher und einer der Asseburger mußte wohl oder übel seinen Gästen die Geschichte derselben mittheilen. Wie es zu geschehen pflegt, fanden sich Gläubige und Ungläubige unter den Anwesenden und sehr bald verlangte einer der ersteren die Becher, welche, wie sich aus der Erzählung einer der Brüder ergeben hatte, hier verwahrt wurden, zu sehen. Zwar versicherten diese, daß dies nicht angehen werde, da ihre Mutter in diesem Punkte sehr streng sei und sie ihnen selbst noch nicht einmal gezeigt habe, allein die vom Wein aufgeregten Junker ließen sich nicht begütigen, sie bestanden darauf, zu der Hausfrau selbst geführt zu werden und sie selbst um die Gewährung ihres Wunsches zu bitten. Was konnten die hart bedrängten Brüder thun? sie mußten den Bitten ihrer Gäste nachgeben und sie in das Zimmer ihrer Mutter führen, wo der wilde Schwarm dann selbst sein Anliegen vortrug. Zwar schlug diese anfangs dasselbe rund ab, allein die brausende Jugend ließ nicht ab mit Bitten und Quälen. Nur sehen, nur aus der Ferne betrachten wollten sie die Becher, nicht sie berühren noch betasten. Endlich ließ sich die Edelfrau, welche dem lästigen Bitten ein Ende machen wollte, bestimmen, soweit nachzugeben, daß sie den Schrein, worin die Becher verwahrt wurden, öffnen zu wollen versprach, wenn sie sich ihrerseits verpflichten würden, zwei Schritte davon ruhig stehen zu bleiben und sich in dieser Entfernung die Becher anzusehen. Versprochen war dies leicht, aber nicht ebenso gehalten. Kaum war nämlich der Schrein geöffnet, als Alle darauf zustürzten und sich im Nu der kostbaren Gläser bemächtigten. Die Mutter schrie laut aus, bat und flehte, sie möchten doch ihr Wort halten, es sei dies gegen die Abrede, nichts half; einer der muntern Gesellen gab ihr zur Antwort, sie hätten sich einmal vorgenommen, das Wohl der Familie Asseburg aus diesen Schicksalsbechern zu trinken und dies müsse unbedingt geschehen. Damit eilten sie wieder in den Speisesaal und nahmen die Becher mit, wo sie sie mit dem besten Weine, den sie hatten, füllten, und bald machten dieselben die Runde unter den fröhlichen Zechern. So tranken sie denn nicht blos die Gesundheit der Asseburger aus ihnen, sondern ein jeder Einzelne mußte aus ihnen hoch leben. Immer trauriger erklangen die Hoch's und der Becher Klang und so ging es denn fort, bis fast Keiner mehr recht seiner Sinne mächtig war. Da dachten sie denn endlich an die Heimkehr und einer der fremden Gäste ergriff im Rausche den einen der Becher und forderte einen andern derselben auf, ihm in dem andern Bescheid zu thun und noch einmal auf der Asseburger Wohl zu trinken. So erfaßten denn Beide die gefüllten Becher und stießen herzhaft damit zusammen, allein o Weh! einer derselben zerbrach bei dem heftigen Anprall und die Scherben fielen klirrend zu Boden. Da kamen die Trunkenen plötzlich wieder zu Sinnen, bestürzt standen die Thäter da und schauten bekümmert auf die Scherben nieder; zwar suchten sie dem Ereigniß die heitere Seite abzugewinnen und über das angeblich mit der Dauer der Becher verknüpfte Verhängniß der Asseburgischen Familie zu scherzen, vergebens versicherte einer der Brüder selbst, er glaube nicht an die Geschichte und für ihn sei der Verlust des einen Bechers nur darum schmerzlich, weil er wisse, wie tief derselbe seine Mutter kränken werde, die mit festem Glauben an der ihnen beigelegten Wirkung hänge. Das Geschehene konnte jedoch nicht wieder ungeschehen gemacht werden, still entfernten sich die schnell zur Besinnung gekommenen Zecher und den Brüdern blieb nichts übrig, als ihrer Mutter die traurige Begebenheit zu berichten und ihr die zwei noch geretteten Becher zurückzugeben. Aber nicht grundlos war ihre Besorgniß gewesen, daß der Verlust die alte Frau schwer erschüttern werde, sie erkrankte augenblicklich und erst nach Verlauf von acht Tagen vermochte sie sich wenigstens einigermaßen von dem gehabten Schreck zu erholen. Jetzt wollten die Söhne Abschied nehmen, allein ihre Mutter wollte sie nicht von sich lassen, es war ihr, als solle sie sie niemals wiedersehen. Indeß es mußte geschieden sein, unter heißen Thränen reichte ihnen ihre Mutter den Abschiedskuß, allein nach wenig Stunden ereilte sie das Schicksal. Kaum eine Stunde von Wallhausen entfernt, wurden ihre Rosse durch einen auffliegenden Storch scheu, ergriffen die Flucht, rannten, trotz Zügel und Zaum, wie toll Berg auf Berg ab und stürzten endlich sammt dem Wagen in die Fluthen des hoch angeschwollenen Helmeflusses, der das Grab der Brüder Asseburg ward.

Seit dieser Begebenheit bewahrt die Familie Asseburg nur noch zwei jener Schicksalsbecher, nm sie Zweiflern an der Wahrheit dieser Sage als schlagende Beweise dafür entgegen zu halten. Der eine befindet sich auf dem derselben Familie gehörigen Schlosse Hindenburg (oder Hinneburg) in Westfalen, der andere seit dem Beginn des zweiten Viertels dieses Jahrhunderts auf dem Schlosse Falkenstein, wo er aber nur einzelnen Auserwählten gezeigt wird.

 

Der Teufel auf dem Falkenstein

Auf dem Falkenstein, der sich hoch über dem Selketal erhebt, verlustierten sich nach dem Aussterben des Falkensteiner Geschlechtes mit Vorliebe die Herren des Halberstädter Domkapitels, denen die Burg zugefallen war. Hier blieben sie ungestört, Wein lag genug im Keller, und Frauen brachten sie von Halberstadt mit. So wurde im großen Saale der Burg wacker gezecht und getanzt, bis die lebenslustigen Gäste spät nach Mitternacht ihre Kemenaten aufsuchten.

Entsetzlich aber war eines Morgens das Erwachen, als sie vom Wächter auf den Burghof hinunter gerufen wurden. Da lag der Domherr, der es am tollsten getrieben mit Wein, Weib und Gesang, seltsam verrenkt und mit gebrochenem Genick auf den Steinen. Wie war das möglich? Sie hatten ihm doch in der Nacht das Geleit bis vor sein Turmgemach gegeben. Die Schöne aus dem Halberstädter Frauenhaus wusste sich nicht daran zu erinnern, wann er sie in der Nacht verlassen hatte. Der Teufel musste ihm das Genick umgedreht haben!

Es wird wohl der Teufel Alkohol gewesen sein, der ihm den Sinn umnebelt hatte, so dass er statt aus der Tür zum Fenster hinausgegangen war. Seit jener Zeit kamen die Halberstädter nicht wieder zum Falkenstein. Sie gaben vor, der Weg sei ihnen zu weit; wobei nicht feststeht, ob sie den von Halberstadt zum Falkenstein oder den vom Turmfenster zum Hof meinten.

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